Ein Ort der Lebensfreude

Tomaten Rock’n Roll ist mehr als ein Food-Blog. Es ist ein Ort, an dem Genuss und Lebensfreude zusammenfinden. Ein Ort, an dem Du Inspiration für Deinen Alltag findest – sei es durch ein neues Rezept, eine persönliche Geschichte oder einen Gedanken, der Dich zum Schmunzeln bringt. Ich möchte Dich ermutigen, das Leben in vollen Zügen zu genießen, Deine Leidenschaften zu entdecken und Dich von der positiven Energie anstecken zu lassen, die gutes Essen und schöne Erlebnisse in unser Leben bringen.

Was wir von Alexis Sorbas  lernen können

von Hermina Deiana

Was wir von Alexis Sorbas lernen können

Letzten Samstag habe ich einen fantastischen Abend erlebt! Ich muss euch dieses Erlebnis erzählen. Vormittags rief mich meine liebe Freundin Kalliopi an und fragte, ob ich abends spontan mitkommen würde auf ein Konzert. Wir kennen einen der Musiker. Thanasis ist der Frontman der Band und hat bereits mehrmals auf Kalliopis Geburtstagen und auf ihrer zweiten Hochzeit gespielt und gesungen. Auch ich hatte  Thanasis mehrmals für Veranstaltungen vermittelt. Sein Vater ist Grieche, die Mutter Kubanerin und seine Musik ist so bunt wie seine Herkunft. Er ein wundervoller Mensch, den man nur mögen kann. Ein unentdecktes, großartiges Talent, der für die Musik lebt. „Ich glaube das Konzert findet in einer schummerigen Kneipe statt,“ sagte Kalli. „Egal, Hauptsache wir sind zusammen und sehen Thanasis mal wieder,“ antwortete ich. Ich liebe den Wechsel, zwischen Glamour und Sternerestaurant, Apfelweinwirtschaften, Opern, Rockkonzerten und Straßenfesten. Das macht das Leben doch erst bunt. Kalliopi, ihr Mann Kuntay und ich erreichten die kleine Kneipe. Beim Betreten fühlte es sich an, als sei die Zeit stehen geblieben. Verraucht, dunkel, Barhocker an der Theke und sehr eng. „Kommen sie wegen des Konzerts?“, wurden wir gefragt, „dann gehen sie nach hinten durch. Hinten, das war ein relativ großer Raum im Vergleich zum vorderen Bereich, Billiardtische, die zur Seite geschoben waren, Spielautomaten und Dartscheiben an den Wänden. Die Bedienung waren junge Frauen in Leggings und T-Shirts. Wir schauten uns an und schmunzelten. Kalli und ich kennen uns seit unserer frühen Jugend und lieben beide Kontrastprogramm. Die Welt braucht mehr davon Was trinkt man im Hinterraum dieser Kneipe? Auf den Tischen um uns herum standen Biergläser. Auf der Getränkekarte wurde Primitivo angeboten und wir bestellten eine Flasche. Niemand von uns rechnete damit, dass er gut sei, aber das störte uns erst einmal nicht. Wir konnten in so einer Kneipe keinen besonders guten Wein erwarten, oder? Überraschung, wer hätte das gedacht, er war ganz gut. „Haben sie eine Speisekarte?“, fragten wir. Wir hofften auf ein paar Oliven oder Käse zum Wein. „Nein, aber wir haben Flyer von anliegenden Restaurants, die liefern.“ Sie brachte uns die Speisekarten. Ist das nicht großartig? Sie bieten kein Essen an, aber werben für die umliegenden Restaurants? Und man kann bei ihnen im Lokal diese Speisen bestellen und essen. Das nenne ich Top-Service. Wir bestellten Pizza, hatten die Pizzakartons mitten auf dem Tisch, ein Glas Primitivo dazu – ach wie schön einfach kann das Leben sein -  was will man mehr? Thanasis freute sich riesig uns zu sehen, drückte uns bis wir fast keine Luft bekamen und stellte uns seine Bandkollegen vor. Er als kubanischer Grieche, Tarik ein Bosnier, der so virtuos Gitarre spielte, dass er den Eindruck hinterließ völlig in seiner Welt versunken zu sein und uns, das Publikum, kaum wahrzunehmen. Costa, den Schlagzeuger, kannte ich von früheren Auftritten. Zwei weitere ältere Griechen gehörten zur Band.  Und dann legten sie los und für uns begann ein emotionaler Gänsehaut Regen. Es spielten Musikverliebte, voller Hingabe, die man bei jedem Takt spürte. Sie erfüllten mit ihrer Liebe, für das was sie gerade taten, den Raum, der sich mittlerweile füllte.  Wir schwammen förmlich auf einer musikalischen Welle um die Welt, von Kuba und Latinorhythmen, über italienische Klassiker, ganz viel super coolen Blues, der uns von den Stühlen riss, bis hin  zu emotionalen griechischen Liedern und ausgelassenem Sirtaki. Es waren für solch ein musikalisches Spektakel viel zu wenige Menschen da. Ich dachte an den freundlichen griechischen Wirt Jannis, der mit Sicherheit ordentlich drauflegen würde an diesem Abend. Lebensmotto: Ich lasse mir meine Lebensfreude von niemand nehmen In der Pause unterhielten wir uns mit den Musikern und sagten, dass wir es bedauern, dass für ihre grandiose Vorstellung nicht mehr Leute gekommen waren. „Egal, wir haben immer Spaß, ob mit vielen Leuten oder mit wenigen, wir lieben es Musik zu machen,“  antworteten sie fast unisono. Das spürte man. Ist es nicht wundervoll, wenn Menschen mit so großer Leidenschaft etwas tun, unabhängig ob für viel oder wenig Geld, vor großem oder kleinem Publikum? Und plötzlich ging zu später Stunde der Wirt zu Thanasis und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Ok, Feierabend, dachten wir. Aber das Gegenteil war der Fall. Jannis hat Musik für einen griechischen Zeibekiko-Tanz bestellt. Dieser Tanz ist kein Gruppen- oder Reigentanz. Ein einzelner Tänzer oder eine Tänzerin, tanzt in der Mitte und die anderen hocken im Kreis und klatschen im Takt. Dieser Tanz basiert nicht auf einer bestimmten Schrittfolge oder Choreographie. Die Tänzer lassen ihren persönlichen Emotionen, die das Leben und die Musik in ihnen auslösen, freien Lauf. Die Tanzschritte eines Zeibekiko sind emotional, sanft  und kraftvoll im Wechsel, als würde der Tanz eine Geschichte erzählen. Anstatt enttäuscht zu sein über zu wenig Umsatz, begab er sich in der Mitte in  Position, um zu tanzen. Wir gingen alle um ihn herum in die Hocke und klatschten zu melancholischen griechischen Klängen, während Jannis  leidenschaftlich tanzte als gäbe es kein Morgen. Dieser Tanz sprach ohne Worte und hat mich sehr berührt.  Nach seinem Tanz sagte er zu mir „Weißt du Hermina, mal habe ich viel Geld, mal wenig, aber ich lasse mir meine Lebensfreude von niemand und von keiner Situation nehmen.“   Brauchen wir alle etwas mehr Alexis Sorbas Mindset? Als mein wunderbarer holländischer Freund Jos die Geschichte dieses Abends hörte, sagte er: großartig, so einen Abend kann man nicht planen. Wie recht er doch hat. Jannis, der Wirt, erinnert mich an Alexis Sorbas, schrieb mir Jos.  Ja, an Alexis Sorbas, den Protagonisten aus dem Roman von Nikos Kazantzakis, musste ich an jenem Abend auch denken. Kennt ihr das Buch? Oder den Film? Großartig gespielt vom wunderbaren Anthony Quinn, dem diese Rolle auf den Leib geschrieben war und eine Oscar Nominierung einbrachte. Und die Sirtaki Musik vom fantatischen Mikis Teodorakis ist und bleibt ein Meisterwerk. Schaut euch bitte diesen Ausschnitt an: https://www.youtube.com/watch?v=2AzpHvLWFUM Alexis Sorbas Lebens-Weisheiten Wie zeitgemäß sind Sorbas‘ Weisheiten heute, habe ich mich gefragt. Ich habe die Wichtigsten für euch zusammengetragen und mit meinen Gedanken ergänzt. Lebe – und zwar jetzt. „Ich fürchte nichts. Ich hoffe nichts. Ich bin frei.“ Dieses Zitat steht auf dem Grabstein von Nikos Kazantzakis, dem Autor von Alexis Sorbas und spiegelt auch Sorbas’ Philosophie wider: Frei ist, wer nichts erwartet. Keine Angst, keine Abhängigkeit, keine Illusion – nur der Moment zählt. Das unterschreibe ich! Lassen wir uns nicht viel zu häufig von Verpflichtungen konditionieren? Hör auf zu denken – fang an zu leben! Schluss mit dem Grübeln und Planen der Zukunft. Fangt an zu tanzen. Oder zu kochen. Oder beides. Das Leben ist kurz, lasst es uns auskosten. Tanz als Ausdruck des Lebens  „Wozu sind all diese Gedanken gut? Wenn du tanzen kannst, tanz!“ Sorbas glaubt daran, dass die Intuition mehr weiß als der Kopf. Im Tanzen zeigt sich die Seele, das Leben, das Menschsein. Und wenn alles zerbricht – dann tanzt man. Es gibt Momente, die fühlen sich an als sei man in einer Sackgasse, oder? Dann hilft es aus meiner Sicht einen Schritt zurückgehen, Augen zu und ruhen lassen. Besser: Musik an, Herz auf und  tanzen. Bis du schwitzt oder weinst, oder beides. Es bringt Erleichterung so oder so. Und mit dem nötigen Abstand sieht man wieder klarer.  Sei ganz bei dem, was du tust. „Wenn ich arbeite, arbeite ich wie ein Tier. Wenn ich esse, esse ich wie ein Mensch, mit Wonne. Wenn ich liebe, liebe ich wie ein Löwe.“ Es ist diese Lebenseinstellung mit der Sorbas als Persönlichkeit fasziniert. Er ist glaubwürdig, lebt mit und aus ganzem Herzen, egal, was er gerade tut. Kein Zögern, keine Halbheiten. Seine Freiheit liegt darin, konsequent nach seinen eigenen Werten zu leben und zu handeln.   Das sind Wesenszüge, die ich in unserer schnellen und unverbindlichen Welt vermisse. Tu, was du tust – aber richtig. So wie Thanasis‘ Band bei Jannis gesungen hat. Alle spürten ihre Begeisterung, sie rissen mit und steckten an. Wenn du kochst, dann mit Herz. Wenn du isst, dann mit Genuss. Wenn du liebst – dann bitte mit Herz und Gefühl. Zu viel Denken lähmt das Leben  „Du hast alles – aber du verstehst nichts.“ Sorbas sagt diesen Satz zu seinem gebildeten, rational denkenden Freund. Er selbst steht für das intuitive Leben, den Instinkt, das Herz. Der Intellekt ist für ihn wichtig – aber nicht das Zentrum des Lebens. Menschen, die keine Gefühle zeigen oder sie verdrängen, passen nicht zu seiner Welt.  Ich bin der Meinung, dass du hundert Bücher über das Leben lesen kannst, aber das echte Leben ist keine Theorie. Du kannst dich mehrfach von Spezialisten coachen lassen, aber am Ende musst du bereit sein das Leben anzunehmen, zu leben, zu lieben, zu feiern. Am besten mit Tomatensauce auf der Schürze und einem Lächeln im Gesicht. Kopf aus – Herz an kann sich wundervoll anfühlen.   Nimm das Leben nicht zu ernst „Was ist ein Mann, wenn er nicht wenigstens einmal verrückt gewesen ist?“ Ohne ein Quäntchen Verrücktheit bleibt man in Normen, Erwartungen und Ängsten gefangen. Sorbas lebt das was er predigt vor: er ist mutig, spontan und unangepasst. Ich sage, das Leben ist kein Businessplan. Ein bisschen verrückt? Könnte der Startschuss zu einem aufregenden Leben sein. Was meint ihr? Klar kann sehr viel schief gehen, aber es lehrt wieder aufzustehen und weiterzumachen.  Die Freiheit beginnt da, wo du nichts mehr brauchst. „Der Mensch braucht ein bisschen Verrücktheit – sonst wagt er nie, das Seil zu durchschneiden und frei zu sein.“ Sorbas sieht Erfahrung als die Summe von Erleben und das Scheitern ist für ihn ein Teil des Lebens. Mit Verrücktheit meint Sorbas auch Mut Loszulassen, "das Seil zu durchschneiden". Wenn man endlich dahin kommt, positiv nach vorne zu schauen und sich frei von Erwartungshaltung vom Leben überraschen zu lassen, ist man der Freiheit sehr nahe, finde ich. Frei durchatmen und leben – am besten mit einem Lächeln, Meerblick und einem Glas Rotwein in der Hand. Das ist für mich ein erstrebenswerter Gedanke. Nicht alles muss größer, schneller, besser sein. Manchmal reicht es, wenn’s echt ist. Und lecker. Wie meine Salsa Paradiso Tomatensaucen.  Lasst uns widrige Umstände wegtanzen Meine wunderbaren Tomaten Rock’n Roller, lasst euch nie abhalten, wenn der Eingang nicht glänzt. Hinter schummerigen Räumen können sich durchaus wahre Oasen befinden. Wer hätte gedacht, dass man im Hinterzimmer einer dunklen, verrauchten Kneipe so einen wundervollen Abend bei sensationeller Live Musik erlebt und wundervollen Menschen begegnet. Und dass das Erlebte bei mir so nachhallt, dass daraus ein ganzer Beitrag ensteht.  Ich wünsche uns allen, dass wir sowohl zu tollen, als auch zu widrigen Umständen gleichermaßen tanzen lernen wie Jannis und Alexis Sorbas. Ich traue es uns zu. Ich umarme euch, lasst  euch nie unterkriegen.  Eure Hermina 🍅❤️🍅 Heute sage ich efcharistó. Das bedeutet auf Griechisch Danke. Danke, dass du mir deine Zeit geschenkt und meinen Beitrag gelesen hast. 

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